Dieses Thema ist ziemlich umfangreich, da man so viele
verschiedene Aspekte ansprechen kann. Vor allem die ersten Abschnitte sind wohl sehr negativ. Wer wissen möchte warum ich mich trotzdem sicher fühle, liest bis
zum Schluss.
Panama ist eigentlich überhaupt nicht in internationale
Konflikte verwickelt. Allerdings ist der Panamakanal doch ein strategisch sehr
wichtiger Punkt. Daher war es den Nordamerikanern auch ein großes Anliegen im
Vertrag der Kanalübergabe zur Jahrtausendwende zu verankern, dass sie im
Kriegsfall wieder die Kontrolle darüber haben, welche Schiffe die Schleusen
passieren dürfen und welche nicht.
Auf dem Landweg transportierte Drogen, die zum Großteil
in Kolumbien produziert werden, müssen das schmale Panama durchqueren um in das
große Abnehmerland USA zu gelangen. Ich vermute, dass vieles auch über die
Panamericana transportiert wird, welche sich nur wenige hundert Meter von
unserem Haus entfernt befindet. Das ist
schon ein komisches Gefühl. Im Alltag gibt es damit aber nie Probleme. Es wird
höchstens im Fernsehen ab und zu von Drogenfunden berichtet. Wo man wirklich
aufpassen muss, ist im Grenzgebiet zu Kolumbien. Meine Entsendeorganisation AFS
verbietet es daher uns Freiwilligen in die Provinz Darién zu reisen.
Ansonsten gibt es in Panama City ein Viertel welches sich
„Chorillo“ nennt. Das ist für uns Ausländer - auch tagsüber - nicht geeignet um es zu Fuß zu erkunden. Wir mussten einmal
nachts mit dem Taxi Chorillo durchqueren. Das ist wirklich kein Spaß.
Gassen hören dort auf Namen wie „Sal si puedes“ (verlasse sie, wenn du kannst).
Nicht gerade einladend.
Außerdem ist die Stadt Colon ganz schön gefährlich.
Darüber habe ich ja bereits geschrieben Blogeintrag. Penonomé ist hingegen eine ziemlich sichere Stadt.
Ein paar negative Erfahrungen aus meinem Umfeld:
Als wir mit TECHO in der Schule übernachteten bekamen wir durchgehend Polizeischutz. Am Samstagabend war eine kleine Leuchtkugel 300 Meter
weiter zu sehen, welche langsam aus 30 Metern Höhe zu Boden schwebte. Einer der Studenten
erklärte, dass in dieser Gegend ab und zu zwei rivalisierte Drogenbanden Probleme machen. Wenn ein Polizist Verstärkung braucht, schießt er eine
solche Leuchtkugel in die Luft.
Meiner Gastmutter wurden vor wenigen Jahren unweit
von unserem Haus ihre Wertsachen geklaut. Auch José, mein Gastbruder, wurde in Panama City ausgeraubt. Und meiner Gastschwester Marla wurde in Panama City leider die Kamera geraubt.
Auch ich habe schon eine negative Erfahrung machen müssen,
die aber glimpflich ausgegangen ist. Dafür lest einfach den folgenden
Tagebucheintrag von meinem ersten Tag in Penonomé.
21. August 2014.
Ich bin seit einigen Stunden in Penonomé und habe meine Gastfamilie
kennengelernt. Es ist zwar alles noch sehr neu und ungewohnt, aber ich bin jetzt
wirklich in Panama angekommen und so langsam beginne ich das auch zu
realisieren. Bei so vielen Eindrücken wird man schnell müde. Also stehe ich auf
(wir schauen alle Fernsehen), wünsche eine gute Nacht und gehe in's obere Stockwerk. Es ist 0:30 Uhr. Nach
dem Zähneputzen will ich gerade schlafen gehen. Das Licht brennt noch.
Plötzlich höre ich einen angsterfüllten Schrei von meiner Gastschwester
Lisseth. Ich öffne die Zimmertür. Vor mir steht ein etwa 20 jähriger Mann. Ich habe
keine Ahnung wer er ist, aber da ich den Schrei von Lisseth gehört habe, weiß
ich, dass er nicht zur Familie gehören kann. Ich
spüre mein Herz schnell schlagen. Er gibt mir ein Zeichen schlafen zu gehen
(Beide Hände an die linke Backe haltend) und sagt etwas mit „dormir“ (schlafen).
Ich weiß nicht was los ist und schließe die Türe wieder um „schlafen zu gehen“,
wie er gesagt hat. Ich denke er will die Familie in Ruhe ausrauben oder
jemandem der Familie Tunón etwas antun während ich „schlafe“. Einige Sekunden
nach der ersten Begegnung klopft es an der Tür. Der Unbekannte steht immer noch da. Er gibt mir nochmal das Zeichen zum Schlafen und sagt „quiero una
cama, tengo que dormir“ (ich will ein Bett, ich muss schlafen) und ich verstehe
langsam, was er will. Er ist vollkommen ernst über die Sache und überhaupt
nicht aggressiv. Außerdem kann ich auf den ersten Blick keine Waffe sehen. Mein
Herz schlägt trotzdem schnell und mir fällt es noch schwerer, als es sowieso
schon am ersten Tag ist, einen vernünftigen spanischen Satz rauszubringen. Ich verlasse mein Zimmer und sage ihm „no problema, va conmigo“ (kein
Problem, komm mit). Ich gehe mit ihm in eines der freien Schlafzimmer. Ich weiß
nicht, was ich sonst tun soll. Das Haus ist ziemlich dunkel. Das einzige Licht
kommt von Richtung Balkon. Von dort höre ich jetzt auch Rufe. Also gehe ich auf
den Balkon. Der Unbekannte folgt mir immer. Auf dem Hof stehen Rebecca,
Lisseth, Alex, zwei Tanten und zwei Nachbarn. Einer von ihnen hat eine Machete
unter den Arm geklemmt. Rebeca beginnt ununterbrochen „Quién es?“ (Wer ist es?)
zu schreien. Ich bringe nur Spanisch-Fetzen über die Lippen. Ich gehe wieder
ins Haus zurück mit dem Ziel: Haustür. Auf dem Weg stolpere ich, da ich kaum
etwas sehen kann. Draußen diskutiert ein Nachbar mit dem Unbekannten der immer
noch auf dem Balkon steht. Eine Minute später kommt ein Polizeiwagen mit drei
Polizisten. Der Unbekannte kommt nach Aufforderung der Polizei ebenfalls auf
den Hof, wo er festgenommen wird. Wir erzählen der Polizei was passiert war und
sie fahren mit dem Unbekannten davon.
Zwischen Lisseths
Schrei und der Festnahme waren keine fünf Minuten vergangen. Im Anschluss
diskutieren/spekulieren wir über den Vorfall und 45 Minuten später gehe ich
schlafen.
Die Familie Tunón
saß vor dem Fernseher, als sie ein Geräusch auf dem Garagendach hörten. Lisseth
sah jetzt zusätzlich einen Schatten. Sie schreit und alle rennen auf den Hof.
Er war wohl unter Drogeneinfluss vom Garagendach auf den Balkon geklettert und
durch die offene Balkontüre in den zweiten Stock gelangt und zu meinem Zimmer
gelaufen. Die Polizei sei nur so schnell da gewesen, da die Nachbarin, die die
Polizei rief gesagt hatte, ein Unbekannter hätte mich gekidnappt.
Was für ein Start
hier in Penonomé! Lisseth versichert mir, dass so etwas
in der Art bisher noch nicht passiert sei. Am nächsten morgen gehen Rebeca und ich zum
Polizeirevier und sie erzählt noch einmal, was vorgefallen war. Kurz bevor wir gehen wollen, wird der Unbekannte in Handschellen ins Zimmer, wo wir sitzen, geführt. Dort saß er nun,
sagte aber nichts. Das ist das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe.
Jetzt wird es aber höchste Zeit zu berichten, warum ich
mich trotzdem sicher fühle!
- Bisher wurde noch keiner von uns 30 Freiwilligen ausgeraubt. Das entspricht einer Zeit von 15 Jahren gesehen auf nur eine Person ohne einen solchen unschönen Zwischenfall.
- Auch ist die Polizeipräsenz sehr hoch. Vor jeder Bank und jedem größeren Supermarkt steht ein Polizist.
- Schätzungsweise 90% der Häuser haben Gitter vor den Fenstern. Unser Haus allerdings nicht überall.
- Auch wenn es natürlich Pech ist, wenn man zur falschen Zeit am falschen Ort ist, kann man die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas passiert doch ziemlich reduzieren. Dazu muss man nur ein paar Dinge beachten. Zum Beispiel:
- Wenn möglich Panameños dabei haben, wenn man abends ausgeht
- Nachts besser ein Taxi nehmen und nicht laufen
- Nur registrierte Taxis nehmen. Diese sind gelb und haben hinten einen Nummerncode
- Wertgegenstände wie Kameras, Smartphones, Schmuck etc. nicht zu sehr in der Öffentlichkeit zeigen
- Geld nicht in der Öffentlichkeit zählen. Vor allem nicht nach einem Abstecher bei der Bank
- Sich von Leuten die in der Gegend aufgewachsen sind erklären lassen, wo es gefährlich ist
Fazit: hier in Panama ist die Wahrscheinlichkeit
ausgeraubt zu werden bestimmt höher als in Deutschland. Aber das sollte einen
nicht davon abhalten außer Haus zu gehen, Spaß zu haben und positiv zu
denken. Wenn man tatsächlich ausgeraubt
wird ist es natürlich ärgerlich und wahrscheinlich ist das Smartphone und etwas
Geld weg. Aber das kann man ja alles ersetzten. Grund für die höhere
Kriminalitätsrate ist meiner Meinung nach die großen Differenzen zwischen Arm
und Reich. Es gibt praktisch keine Mittelschicht.
Bei
Euch scheint der Winter zum Jahreswechsel nun so richtig angekommen zu sein. Bei uns
hingegen wird es immer wärmer und vor allem sonniger.
In diesem Sinne, ein frohes und sicheres Jahr 2015!