Samstag, 16. Mai 2015

Ein Privileg

Euch ist bestimmt schon aufgefallen, dass ich in vieler der Blogeinträge über das Reisen berichte. Das mache ich gerne. Auch, um so später nachlesen zu können, wo ich überall war. Wir Freiwilligen versuchen jede Möglichkeit zu nutzen das Land besser kennenzulernen. Das ist natürlich besonders spannend, da wir bis vor 9 Monaten kaum einen Ort in Panama kannten. Inzwischen würde ich aber behaupten in unserer Gruppe kennt ein Durchschnittlicher Freiwilliger mehr Orte in Panama als 95% der Panameños. Denn das Privileg zu reisen teilen hier nur sehr wenige. Den meisten Einheimischen fehlt das Geld um sich Transport, Unterkunft und Verpflegung leisten zu können. Andere wissen nicht mit wem sie reisen könnten. Außerdem ziehen die Kinder typischerweise nicht weit weg von den Eltern. In seltenen Fällen gehört sogar eine ganze Straße einer Familie. Daher ist nicht so oft der Anlass geboten weit zu reisen um jemanden zu besuchen.

Das viele reisen von uns Freiwilligen wird also durch einige Dinge begünstigt:
- Vergleichsweise viel Geld
- Viel Freizeit
- Freunde an verschiedensten Orten
- Neues Land und begrenzte Aufenthaltszeit. Daher Wunsch alles zu sehen.
- Super Transportsystem

Dass das bei vielen Panameños nicht so ist war mir bei meiner Ankunft noch nicht so bewusst und manchmal sind etwas kuriose Unterhaltungen entstanden. Zum Beispiel als ich meinem 60 jährigen Onkel der ersten Gastfamilie erklärte woher ich komme und was ich in Panama mache sind wir ins Gespräch über verschiedene Länder gekommen. Irgendwann habe ich ihn gefragt:

Ich: "Warst du schon einmal in Europa?"
Er: "Nein da war ich noch nicht."
Ich: "Und im Ausland? Costa Rica oder Kolumbien?"
Er: "Nein, ich war noch nie im Ausland."
Ich: "Warst du schon in Bocas del Toro, San Blas, Volcan oder Boquete?"
Er: "Nein, in den Gegenden war ich noch nicht."
Ich: "Was war dann das weiteste was du von Penonomé je entfernt warst?"
Er: "Ich bin LKW-Fahrer. Einmal bin ich 5 Stunden nach Los Santos gefahren und habe Mais und Weizen abgeholt."

Dennoch werden vergleichsweise günstige Tagesausflüge oft auch nicht gemacht. Zum Wasserfall in Penonomé kostet Hin- und Rückfahrt 0,70$, Valle de Antón 7,50$, Coclecito 7,50$, nächster Strand 2,50$ um ein paar Beispiele zu nennen. Das würde zumindest geldtechnisch für die meisten zu schaffen sein.

Ich muss aber zugeben, dass ich in Deutschland auch nicht jedes Wochenende ein neues Ausflugsziel gesucht habe und zu jedem Berg, Fluss, Museum, See etc. gefahren bin. Ich kann das verhalten der Panameños daher größtenteils schon nachvollziehen.

Jetzt noch ein kurzer Ausblick auf meine verbleibende Zeit in Panama. Es sind nämlich nur noch zwei Monate bis zur Abreise. Mir geht es wirklich super: meine Familie ist nett und mein Projekt macht Spaß.
Inzwischen habe ich aber die meisten Orte Panamas gesehen. Ich kenne die Kultur was man daran merkt, dass einen kaum noch etwas überrascht oder befremdlich vorkommt. Und ich beherrsche die Sprache mittlerweile ganz gut. Wirklich viel zu entdecken gibt es daher für mich nicht mehr und in den nächsten zwei Monaten steht auch nicht mehr viel an. Daher werde ich eventuell nicht mehr so regelmäßig Berichte schreiben. Falls Euch noch ein Thema interessiert welches ich bisher noch nicht angesprochen habe könnt ihr mir das gerne mitteilen (zum Beispiel über das Kommentarfeld).

Und noch ein paar Dinge auf die ich mich in Deutschland freue:
- Kühleres Klima
- Freunde, Familie und Verwandte  
- Draußen joggen und radfahren. Hier ist es oft zu warm und es gibt selten geeigneten Wege.
- Saubere Städte, Natur und Häuser
- Eine Herausforderung (das Studium)
- Ein Zimmer dessen Wände bis zur Decke reichen
- Das Essen
- Mein Bett
- Und zuletzt die warme Dusche

Schöne Grüße aus Panama,
Henrik